Die Antwort auf diese Frage hängt vom Religionsbegriff ab. Wenn man unter einer Religion einen Glauben versteht, dann ist Buddhismus keine Religion, denn der Buddha selber hat immer wieder gesagt, man solle seine Lehre selber anhand der eigenen Erfahrungen prüfen und weder ihm noch anderen blind glauben.
"Das Wort ‚Glaube' gibt es in Pali, der Sprache, in der Buddha gesprochen hat, gar nicht. Im Buddhismus gibt es Vertrauen – es ist sehr kostbar. Wenn man aber etwas ohne kritische Betrachtung annimmt, ist es Glaube und das gibt es so gesehen im Buddhismus nicht."(Bhante Seelawansa)
Wenn man Religion mit Wikipedia als "eine Vielzahl unterschiedlicher kultureller Phänomene, die menschliches Verhalten, Handeln, Denken und Fühlen prägen und Wertvorstellungen normativ beeinflussen" (http://de.wikipedia.org/wiki/Religion) sieht, dann ist Buddhismus sicherlich eine Religion. Das Ziel des Buddhismus ist nämlich das Erwachen, eine besondere Art, die Welt zu erleben, die frei ist vom Begehren nach weltlichen Errungenschaften. Der Erwachte begegnet der Welt mit Gelassenheit. Negative Gefühle können auftreten, werden aber schnell wieder durch andere Geistesinhalte abgelöst, weil der Geist für den natürlichen Fluss des Erlebens offen bleibt. Durch das Entwickeln von Weisheit, durch Meditation und Kontemplation und durch die Befolgung ethischer Regeln verändert die buddhistische Praxis das Verhalten, Denken und Fühlen so, dass der Buddhist der erwachten Seinsweise näher kommt.
Häufig werden mit einer Religion transzendente Glaubensinhalte verbunden. Solche, die sinnliche erkennbare Welt überschreitende Vorstellungen gibt es in allen traditionellen Formen des Buddhismus. Am wichtigsten sind hier die Wiedergeburt und das Gesetz des Karma, das im Wesentlichen beinhaltet, dass Taten in diesem Leben Auswirkungen auf spätere Leben haben können. Westliche Formen des Buddhismus wie der Freie Buddhismus, der säkulare Buddhismus, das Insight Meditation Movement und manche westlichen Varianten des Zen-Buddhismus halten sich zwar offen dafür, dass solche transzendenten Vorstellungen der Realität entsprechen, stellen aber die Lehrinhalte und Methoden in den Vordergrund, die bereits in diesem Leben hilfreich sind.
Das ist nicht ungewöhnlich. 2002 gaben in einer Befragung 48 Prozent der Mitglieder der evangelischen Kirche und 29 Prozent der Mitglieder der katholischen Kirche an, dass ihre eigene Weltanschauung keiner religiösen Lehre folgen würde. Trotzdem wird wohl niemand der evangelischen Kirche absprechen, eine Religion zu vertreten.
Die folgenden Videos liefern weitere Aufschlüsse:
Was ist Buddhismus? - Lama Tilmann Lhündrup from AwakeningToSanity on Vimeo.
Buddhismus in wenigen Worten zusammengefasst von Lama Tilmann Lhündrup.
Aufgezeichnet am 18.07.2013 in Freiburg im Breisgau.
Überlässt es der Buddha den Vorlieben und Abneigungen seiner Schüler mit seinenen Lehren übereinzustimmen?
Oder: wie überwinde ich Ego-gesteuerte Ambitionen?
Kommentiert von: Heinrich Baak | 29. Juni 2018 um 04:25 Uhr
Liest man den Palikanon, so erhält man den Eindruck, dass der Buddha sich immer gerne mit Kritik und Fragen seiner Schüler auseinandergesetzt hat. Um Mitglied seiner Gemeinschaft zu werden, musste man aber prinzipiell mit seiner Lehre übereinstimmen.
Trotzdem haben sich im Laufe der Jahrtausende viele verschiedene buddhistische Traditionen entwickelt, angefangen beim Theravada, der der frühbuddhistischen Lehre heute am nächsten steht (aber eben auch nicht identisch damit ist). Viele dieser Lehren weichen stark von der frühbuddhistischen Lehre ab.
Wer sich heute für Buddhismus interessiert hat deshalb das Problem, dass er einer Vielzahl unterschiedlicher Buddhismen gegenübersteht. Hinzu kommt, dass sich vielen Menschen in allen Religionen die Frage stellt, welche religiösen Aussagen heute noch Gültigkeit haben und welcher Teil der Lehre sich einfach aus der Sichtweise der damaligen Zeit erklärt. Stephen Batchelor z. B. macht dazu pointierte Aussagen.
Der heutige Buddhist hat also Entscheidungen zu treffen und befindet sich in einer anderen Position als jemand, der vor über 2500 Jahren den Buddha persönlich gekannt hat und im Wesentlichen dasselbe Weltbild wie der Buddha hatte. Ganz wie der Buddha gelehrt hat, sollte er diese Entscheidung nicht nach Vorlieben und Abneigungen treffen und auch nicht blind der Meinung scheinbar weiser Lehrer folgen, sondern er sollte sich überlegen: Welche Lehre, wenn man ihr folgt, führt zu heilsamen Ergebnissen und welche nicht?
Die "Fessel" Einbildung (Arroganz Dünkel) hat man gemäß der Lehre des Buddha erst als Erwachter überwunden. Tatsächlich kann man, wenn man aufmerksam schaut, auch bei buddhistischen Lehrern gelegentlich Spuren von Einbildung erkennen.
Ich verstehe die Lehre des Buddha so, dass man ständig seine Motivation überprüfen sollte: Ist sie heilsam oder nicht? Wenn ich z.B. hier eine Frage stelle oder sie beantworte, kann ich mich fragen, warum ich das tue. Habe ich wirklich eine Frage oder will ich nur indirekt Kritik äußern? Will ich mit meiner Antwort wirklich anderen helfen oder will ich nur meinen Stolz befriedigen? Während ich schreibe, kann z.B. ein Teil meiner Aufmerksamkeit meinen eigenen Geist beobachten und wahrnehmen, welche Gedanken, Gefühle und Stimmungen auftauchen und prüfen, wie diese meine Antwort färben. Vor allem durch diese feine Achtsamkeit können wir langsam aber sicher ich-bezogene Tendenzen vermindern.
Kommentiert von: Thomas Hamann | 29. Juni 2018 um 12:07 Uhr
Danke, die Antwort klingt erst mal ausgewogen und vernünftig.
Brauche ich also einen Lehrer, mehr als einen, keinen?
Was für eine Rolle spielen "demokratische" Regeln oder Prinzipien?
Was zeichnet einen guten Schüler aus?
Kommentiert von: Heinrich Baak | 29. Juni 2018 um 15:56 Uhr
Der Buddha selber hat ja keinen Nachfolger ernannt und gesagt: "Nehmt die Lehre als Zuflucht." Daraus könnte man schließen, dass er die Rolle des Lehrers nicht so wichtig genommen hat. Persönlich habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die die buddhistische Lehre tief durchdrungen haben und/oder durch intensive Praxis ihren Geist geschult haben, sehr inspirieren und Einsichten vermitteln, die über Bücherwissen hinausgehen.
Der Kern des Buddhismus ist nach meinem Verständnis die Veränderung des Erlebens hin zu einer neuen Art und Weise des Seins. Wer auf diesem Weg weiter fortgeschritten ist, kann anderen durch Vorbild und erfahrungsbasierte Ratschläge auf besondere Art weiterhelfen.
Wenn man Lehrer unterschiedlicher Traditionen kennen lernt, weitet das nach meiner Erfahrung den eigenen Horizont und vertieft das Verständnis der buddhistischen Lehre. Man sieht, dass es mehrere Sichtweisen gibt und hat die Chance, eine eigene Position zu entwickeln.
Beim Begriff Schüler schwingt nach meinem Empfinden eine Nebenbedeutung von Unterordnung und Abhängigkeit mit. Deshalb verwende ich lieber den Begriff „Lernender“. Wer etwas lernen will, sollte offen dafür sein, neues zu lernen, und Interesse am jeweiligen Lerninhalt haben. Besonders wichtig ist meines Erachtens die aktive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten. Er kann sich z.B. fragen: Was bedeutet das für mich? Wie kann ich das in die Praxis umsetzen? Was spricht dafür, was dagegen? Passives und unkritisches Aufnehmen von Inhalten ist nicht effektiv, vor allem dann nicht, wenn, wie im Buddhismus, persönliches Verhalten und Erleben beeinflusst werden sollen.
Was die demokratischen Regeln angeht: Der Freie Buddhismus ist als gemeinnütziger Verein organisiert. Die Mitglieder bestimmen, was wir wie machen. Basis sind unsere Leitlinien.
Kommentiert von: Thomas Hamann | 02. Juli 2018 um 12:31 Uhr
Danke.
Es gibt im Palikanon das sog. Upali Sutta in dem Upali seine grosse Freude, ja sogar seinen Stolz darüber zum Ausdruck bringt, ein Schüler des Buddhas zu sein. Er ist sicher eher ein "faith follower". Sogar der Buddha selbst hat beschrieben, wie er nach seiner Erleuchtung noch immer das Bedürfnis hatte "aufzuschauen", also etwas oder jemanden zu verehren. Und da er niemanden fand im ganzem Universum, entschloss er sich den Dharma als Gegenstand seiner Verehrung zu nehmen.
Welche Methoden finde ich im "freien Buddhismus" als "vom Bedürfnis aufzuschauen Geleiteter", meine Neigung in spirituelle Praxis einfliessen zu lassen?
Mit Metta
Kommentiert von: Heinrich Baak | 02. Juli 2018 um 20:47 Uhr
Du kannst eine Vielzahl von Methoden aus unterschiedlichen buddhistischen Traditionen zu diesem Zweck praktizieren. Eigentlich geht die Frage jedoch am Wesen unserer Gruppe vorbei. Wir haben keinen abgeschlossenen Methodenkanon und streben diesen bisher auch nicht an. Das würde aus unserer Sicht dem Wesen einer traditionsübergreifenden Gruppe widersprechen.
Wir informieren relativ breit über verschiedene buddhistische Traditionen und Methoden und haben insofern einen ähnlichen „spirit“ wie das Insight Meditation Movement oder die tibetische Rime-Bewegung. Persönlich empfehle ich jedem buddhistisch Interessierten, sich zuerst einen guten Überblick über die verschiedenen buddhistischen Traditionen und Methoden zu verschaffen. Auf Dauer ist es meiner Ansicht nach hilfreich, wenn man sich für längere Praxisperioden gezielt auf einzelne Meditationsmethoden spezialisiert, um Praxistiefe zu erreichen. Später kann man dann durchaus auch auf andere Methoden umsatteln.
Wenn Du Dich weiter über unseren Ansatz austauschen möchtest, sollten wir telefonieren. Wenn Du willst, ruf mich unter 0170 7532 735 an.
Kommentiert von: Thomas Hamann | 03. Juli 2018 um 17:09 Uhr
Danke für das Angebot!
Vielleicht komme ich mal nach Steele.
Kommentiert von: Heinrich Baak | 05. Juli 2018 um 19:36 Uhr
Gerne
Kommentiert von: Thomas Hamann | 06. Juli 2018 um 10:42 Uhr
moin
im buddhistischen wird doch auf gesundheit geachtet, wie sieht ihr das mit dem impfen?
lg kiki
Kommentiert von: kiki | 17. November 2019 um 22:37 Uhr
Dass man sich vorsorglich gegen Krankheiten schützt, ist auch aus buddhistischer Sicht sicher heilsam. Außerdem ist es ein Akt des Mitgefühls, denn wenn ich nicht krank werde, dann kann ich auch andere nicht anstecken.
Kommentiert von: Thomas Hamann | 18. November 2019 um 09:40 Uhr